Wokeness: Vorgeschichte und einige Beispiele im Musikbetrieb

Der nichts-sagende und gleichzeitig vieldeutige Begriff Wokeness ist inzwischen ein Sammelbegriff für viele verschiedene, im Lauf der Jahre sich anhäufende, post-marxistische ideologische Floskeln wie „social justice scholarship“, „political correctness“, „diversity“, „inclusion“, „equity“, „intersectionality“, „lgbtq+“ und viel andere ähnliche Termini. Sie alle sind Erzeugnisse der Ideologie-Module „critical race theory“, „postcolonial theory“, „feminism and gender studies“, „disabilities and fat studies“, „queer theory“ und andere.

Jemand, der „woke“ ist, benützt das woke Vokabular und akzeptiert implizit die Ideologie, die hinter all diesen „theories“ und „studies“ steckt. Viele verstehen nicht, dass es sich im Fall dieses Vokabulars um eine reine Manipulationsmethode handelt. Aber auch diejenigen, die die dahinterliegende totalitäre Ideologie kennen und ablehnen, werden gezwungen, sich anzupassen. Insofern ist der Wokeismus ein mächtiges Instrument zur Durchführung der gewaltsamen mentalen und politischen Lenkung in den westlichen Staaten.

Bevor ich einige Beispiele für Wokeness im Musikbetrieb bespreche, möchte ich den ideengeschichtlichen Hintergrund und ideologischen Inhalt des Wokeismus, sowie die revolutionäre Strategie, die sich hinter diesem Begriff verbirgt, skizzieren.

Der ideengeschichtliche Hintergrund des Wokeismus

Eine der Hauptquellen, aus der die oben aufgelisteten „theories“ und Schlagwörter sprießen, ist das marxistische Dogma der grundsätzlichen „Unterdrückung des Menschen durch den Menschen“ und seine verschiedenen Transformationen im Lauf der letzten 100 Jahre.

Vor Marx hatte niemand die Existenz von Unterdrückung oder Ausbeutung geleugnet. Und auch niemand hat jemals bestritten, dass es zwischen verschiedenen Bevölkerungsschichten Machtkämpfe gab und gibt. Aber Marx reduzierte die gesamte Geschichte der Menschheit auf einen ununterbrochenen Klassenkampf:

Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen. […] Unterdrücker und Unterdrückte standen im steten Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf.1

Diese kollektivistische Sicht ist allen aus dem Marxismus erwachsenen linken Ideologien eigen. Die Identität und das Verhalten eines jeden Individuums resultieren für Marx und seine Nachfolger hauptsächlich aus seiner Zuordnung zu einer bestimmten Gruppe oder Klasse.2

Die „Unterdrücker“ und „Ausbeuter“ der proletarischen Massen sind für die klassischen Marxisten und alle ihre heutigen Nachfolger nicht primär einzelne böse Individuen, sondern stets Menschengruppen oder Kollektive, die andere Gruppen oder Kollektive ausbeuten. In diesem Sinn schrieb August Bebel diesen Satz: „Alle Unterdrückung des Menschen durch den Menschen beruht auf Klassenherrschaft“3.

Die klassischen Marxisten (von Marx über Lenin und Stalin bis zu Mao und Fidel Castro) gaben vor, die „Unterdrückung“ der „arbeitenden Klasse“ restlos beseitigen zu wollen. Das Endziel des Marxismus ist der Kommunismus, also die sogenannte klassenlose Gesellschaft, in der der Privatbesitz abgeschafft ist.

Diese „Gesellschaft“ ist in der marxistischen Theorie ein gänzlich egalitärer, kollektivistischer menschlicher Biotop. Das bedeutet also, dass alle Eigenheiten der einzelnen Menschen und alle ihre Fähigkeiten und Talente nivelliert werden müssen. Dasselbe gilt für ihr Verhalten und ihre Denkinhalte. Das Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, ist die gewaltsame Revolution.

Das ist die Grundstruktur der marxistischen Welterklärung und Zielsetzung.

Die marxistische Theorie der Befreiung und die Realität der „Diktatur des Proletariats“

Das sozialistische Modell lässt sich auf die Formel „die führende Elite und das Volk“ reduzieren. Und die kommunistische oder real-sozialistische Gesellschaft ist eine pure Zwei-Klassen-Gesellschaft4: Die herrschende Klasse der „Apparatschiks“ oder die „Nomenklatura“ (Diktator + Parteiführung + Geheimpolizei + Polizei + Armee + Verwaltungsapparat) bestimmen diktatorisch über die Geschicke des „Volkes“, das strengstens überwacht wird und das seine Meinung nie kundtuen darf und das im Fall des Ungehorsams drakonisch bestraft wird.

Abgesehen davon, dass die Realität des Sozialismus/Kommunismus ganz anders ausschaut als in der Theorie behauptet, gibt es noch ein großes ABER bezüglich der Attraktivität des grandiosen marxistischen Befreiungsplans: Denn Marx erklärte, dass das atheistische „Paradies“ des absolut egalitären Kommunismus von einer Phase härtester Diktatur eingeleitet werden sollte:

Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats.5

Natürlich hat auch Lenin diese zentrale Idee Marx’ übernommen: „Ein entscheidender Sieg der Revolution […] ist die revolutionär-demokratische Diktatur des Proletariats. […] Und ein solcher Sieg wird eben eine Diktatur sein.“6 Man könnte diese Diktatur-Phase ironisch als das „Fegefeuer der Diktatur des Proletariats“ nennen — ein Fegefeuer, das vor der klassenlosen paradiesischen Endphase der Menschheit gelagert ist.

Bis 1917 (Russische Revolution) behaupteten die marxistisch-leninistischen Ideologen, dass diese sogenannte „demokratische Diktatur“ nur so lang dauern würde, bis die kommunistische Gesellschaft errichtet sei. Also bis zum Zeitpunkt, an dem alle, die keine von der Partei zertifizierten „Proletarier“ sind, eliminiert sein würden.

Doch gleich nach der Russischen Revolution erklärten die kommunistischen Ideologen, dass die „Diktatur des Proletariats“ definitiv sein musste. So hat zum Beispiel Trotzki von der „permanenten Revolution“7 gesprochen. Und Stalin sprach von einer „dauernden und festen“8 Diktatur des Proletariats.

Und der italienische kommunistische Führer Antonio Gramsci erklärte ebenfalls, dass die „Diktatur des Proletariats“ — womit eigentlich die Diktatur der kommunistischen Parteiführung gemeint ist — nie enden dürfe: „Die Aufgabe der Kommunistischen Partei in der proletarischen Diktatur ist deshalb: die Klasse der Arbeiter und Bauern endgültig zu einer herrschenden Klasse zu organisieren.“9

Diese Aussagen zeigen klar, dass die revolutionären Marxisten gar keine „klassenlose“ Gesellschaft gründen wollten, sondern, dass sie ganz einfach selber und für immer an die Macht kommen wollten. Und das gilt bis heute für ihre geistigen Nachfolger — die sich nicht mehr Marxisten, sondern „Progressisten“ oder „Woke“ nennen.

Die Vorbereitung der Revolution durch Propaganda und Indoktrinierung der „werktätigen Massen“

Aber eigentlich möchten die wenigsten Menschen in einer „endgültigen“ Diktatur leben — auch die „Arbeiter und Bauern“ nicht. Um also eine Revolution, die zu einer „dauernden“ Diktatur des „Proletariats“ führt, einzuleiten, mussten die marxistischen Ideologen das „Volk“ auf den revolutionären Kampf einstimmen und es überzeugen, dass ein fundamentaler gesellschaftlicher Wechsel unbedingt notwendig ist. Deswegen haben sie von Anfang an eine gigantische Propaganda-Maschinerie aufgebaut, um die Menschen zu verführen und um Anhänger zu rekrutieren.

In diesem Sinn schrieb Lenin, dass „das sozialistische Bewusstsein […] etwas in den Klassenkampf des Proletariats von außen Hineingetragenes, nicht etwas aus ihm urwüchsig Entstandenes“10 sei. Und „das politische Klassenbewusstsein“ könne „dem Arbeiter nur von außen gebracht werden.“11

Lenin-Propaganda-Zeichnung von Tom Sora
Lenin-Propaganda-Zeichnung von Tom Sora

Das Mittel zu diesem Zweck sei ein allumfassender Politaktivismus: „Um den Arbeitern politisches Wissen zu vermitteln, müssen die Sozialdemokraten in alle Klassen der Bevölkerung gehen, müssen sie die Abteilungen ihrer Armeen in alle Richtungen aussenden.“12

Und auch der wichtigste marxistische Ideologe nach Lenin, Antonio Gramsci, verfolgte dasselbe Ziel, und zwar „die ‚Mentalität’ des Volkes zu verändern“. Das sei ein „Kampf“, der „mit der modernen pädagogischen Theorie und Praxis in Verbindung gebracht werden [muss]“. Und er präzisierte, dass „die Frage des Sprachgebrauchs und der Sprachen […] ganz in den Vordergrund gerückt werden“13 solle. Das bedeutet nichts anderes, als dass die propagandistisch-manipulative Fälschung des Sinnes der Wörter/Begriffe und Aussagen als Waffe in diesem „pädagogischen Kampf“ massiv eingesetzt werden sollte.

Gramsci fügte hinzu, dass dieses „pädagogische Verhältnis […] in der ganzen Gesellschaft in ihrer Gesamtheit […] zwischen Regierenden und Regierten, zwischen Eliten und Anhängern, zwischen Führern und Geführten, zwischen Vorhut und den Heereseinheiten“ zu bestehen habe. Das Ziel dieses erzieherischen „Kampfes“ sollte die Erzeugung des „kollektiven Menschen“14 sein.

Der Neomarxismus oder die Wende vom Klassenkampf zum Kulturkampf

Gramsci war der Ideologe, der den Übergang vom Marxismus-Leninismus zum sogenannten Neo- oder Kulturmarxismus einleitete. Dies war ein essentieller Wechsel in der revolutionären Strategie der Marxisten, denn nach dem ersten Weltkrieg wurde es offensichtlich, dass kein kommunistischer Umsturz (nach dem Vorbild der russischen Revolution) in den westlichen Ländern machbar war. (Siehe die gescheiterte Räterepublik in Bayern und die ebenfalls gescheiterte bolschewistische Revolution unter Béla Kun in Ungarn.) Deswegen ist ab den späten 1920er Jahren bis heute Propaganda die Hauptwaffe der Neomarxisten.

Gramsci prägte den berühmten Begriff der „Hegemonie“, also der unbestrittenen Dominanz der sozialistisch-kommunistischen Ideologen über die „Volksmassen“: Mit Hilfe der Propaganda sollte eben eine weltweite Herrschaft über die Gehirne der „werktätigen Masse“ erreicht werden:

Jede „Hegemoniebeziehung“ ist notwendigerweise eine pädagogische Beziehung und sie verwirklicht sich nicht nur innerhalb einer Nation, […] sondern auf dem ganzen internationalen Felde und auf Weltebene zwischen Ensembles nationaler und kontinentaler Zivilisationen.15

Diese „Hegemoniebeziehung“ der Partei zu den Massen sollte auf der ganzen Welt (heute nennt man das „global“) eine „proletarische Kultur“ und wie gesagt den „kollektiven Menschen“ hervorbringen:

Es wird eine proletarische Kultur (eine Zivilisation) geben, die gänzlich anders als die bürgerliche sein wird; auch auf diesem Gebiet werden die Klassenunterschiede beseitigt werden, wird der bürgerliche Karrierismus beseitigt werden: es wird eine Dichtkunst, einen Roman, ein Theater, eine Gesinnung, eine Sprache, eine Malerei, eine Musik geben, die charakteristisch für die proletarische Kultur, Blüte und Zierde der proletarischen gesellschaftlichen Organisation sein werden.16

Unmittelbar nach der Beschreibung dieser Kultur stellte Gramsci die rhetorische Frage: „Was bleibt zu tun?“ und gab auch gleich die Antwort: „Nichts anderes, als die bestehende Kulturform zu zerstören.“ (Kommentar:17) Dieses Ziel ist bis heute in der linken Agenda prioritär geblieben.

Antonio Gramsci, Fotomontage & Bearbeitung von Tom Sora
Antonio Gramsci, Fotomontage & Bearbeitung von Tom Sora

Die Kritische Theorie und der Postmodernismus als Vorreiter des Wokeismus

Als nach dem Zweiten Weltkrieg der Wohlstand in den marktwirtschaftlichen demokratischen Ländern des Westens stetig größer wurde, als die Löhne der Arbeiter und Angestellten jährlich stiegen und die Preise immer kleiner wurden und als die soziale Absicherung der Arbeitslosen und Rentner in den „kapitalistischen“ Staaten nahezu traumhaft gut wurde, waren die westlichen Marxisten gezwungen, ihr Narrativ der „Ausbeutung der werktätigen Massen“ fallenzulassen.

Der marxistische Diskurs wurde dafür ab 1950 immer „kultureller“. Die Mitglieder der „Frankfurter Schule“ beschäftigten sich nicht mehr mit Proletariern und deren Ausbeutung wie die klassischen Marxisten, sondern mit unzähligen angeblichen „Unterdrückungsmechanismen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft“. Sie postulierten den ebenfalls angeblich „affirmativen“, herrschaftsstabilisierenden Charakter der bürgerlichen Kultur und Kunst (Herbert Marcuse) und den verdeckt autoritären Charakter des „Kulturbetriebs“ (Theodor Adorno) in den liberalen westlichen Ländern.

„Hinterfragen“ und “aufdecken“ wurden die quasi meist verwendeten Verben der Autoren der Frankfurter Schule und ihren unzähligen Anhängern in der Studentenschaft. Es ist klar warum: Denn wer den damaligen Wohlstand für quasi alle Bürger und die unvergleichliche Liberalität der westlichen Gesellschaft der 1960er und 1970er Jahre „hinterfragte“, der postulierte, dass dieser Wohlstand und diese Freiheit bloß eine schöne aber trügerische Fassade seien, hinter der sich die übelsten kapitalistischen Herrschaftsmechanismen verbergen, die „aufzudecken“ sind.

Weil die Neomarxisten des Westens in ihrer Propaganda auf die bisherige angeblich per se ausgebeutete Kategorie „Arbeiter und Bauern“ verzichten mussten, aber weil sie gleichzeitig auf keinen Fall auf das marxistische Dogma, dass „alle Unterdrückung des Menschen durch den Menschen […] auf Klassenherrschaft [beruht]“ verzichten wollten, waren sie gezwungen, andere Gruppen von „Unterdrückten“ als Ersatz für die Proletarier ausfindig zu machen.

Oder anders ausgedrückt: In einer Zeit, in der es eigentlich keine „antagonistische Klassen“ mehr gab — denn die „Proletarier“ waren ab 1960 bereits verbürgerlicht —, haben die Neomarxisten Situationen gebraucht, die sie als „Klassenkampf“ ausgeben oder deuten konnten.

Sie transferierten dementsprechend ab den 1960er Jahren das marxistische Ausbeutungsnarrativ auf zunehmend viele soziale Gruppenpaare, die sich zueinander in einem angeblich ähnlichen „Ausbeutungsverhältnis“ befanden wie die „Kapitalisten“ zu den „Proletariern“.

Das Grundschema, nach dem diese antagonistischen Gruppenpaare konstruiert sind, lässt sich auf die Polarität Underdog-versus-Overdog reduzieren. (Hier einige dieser angeblich antagonistischen Herrscher-Beherrschte-Paare: Männer versus Frauen, Weiße versus andere Rassen, die „erste Welt“ versus die „dritte Welt“, Alte versus Junge, Heterosexuelle versus Homosexuelle, Schöne versus Hässliche, Juden versus Palästinenser etc.)

Die Neomarxisten unterstellten, dass jeder dieser Gruppenkonflikte ein Abbild des angeblich fundamentalen Konfliktes zwischen den bürgerlichen Kapitalisten und den unterdrückten Proletariern sei. Auf diese Weise konnten sie die Idee des Klassenkampfes als einzigen Motor der Menschheitsgeschichte retten.18

Und da die eventuellen Konfliktpunkte innerhalb dieser neu unter die Lupe genommenen Gruppenpaare, oft nicht mehr finanzielle Ausbeutung oder politische Unterdrückung waren, sondern bloß Fragen des sozialen Status, wurde die Anklage der „Ausbeutung“ und „Unterdrückung“ durch den Vorwurf der „Diskriminierung“ ersetzt.

Seitdem ist der Vorwurf der „Diskriminierung“ von Gruppenangehörigen einer bestimmten „Minderheit“ eine der stärksten pseudo-moralischen Angriffswaffen der Neomarxisten gegen all diejenigen, die nicht an ihre These der allgegenwärtigen Gruppenkonflikte als Grundmodus der liberalen Gesellschaft glauben. (Diese Ungläubigen werden dann als „die Rechten“, „die Nazis“ oder „der braune Bodensatz“ bezeichnet.)

Der ultimative Angriff auf die westliche Zivilisation und Kultur: die postmoderne und woke Zerstörung der Sprache und des Denkens

Die vorhin beschriebene Aufsplitterung des marxistisch-leninistischen bipolaren Klassenkonflikts (Kapitalisten gegen Proletarier) in viele gleichzeitige Minderheitenkonflikte ist eine Spezialität der postmodernen Ideologen gewesen. Diese Aufsplitterung hat die Entstehung der Woke-Ideologie ermöglicht.

In den 1960er bis 1970er Jahren haben die postmodernen Theoretiker eine zweite fundamentale Wende der neo-marxistischen Ideologie eingeleitet. Michel Foucault oder Jacques Derrida transferierten das Narrativ des Klassenkampfes auf die Ebene des Denkens und des sogenannten Diskurses. Das Denken an sich sei „imperialistisch“ und Ausdruck westlich-kapitalistischer Herrschsucht. Deswegen sollte es „dekonstruiert“ werden und der westliche „Logozentrismus“ sollte zerstört werden.

In dieser Hinsicht folgten sie der oben zitierten Anweisung Gramscis und subvertierten auf einer intellektuellen Ebene „die bestehende Kulturform“ bis in ihre Grundlagen. Sie ermöglichten die radikale Destruktion der Fundamente westlicher Kultur und Zivilisation, denn die postmodernen Thesen eröffneten das Tor zur destruktiven Praxis der systematischen Sprachmanipulation und zur Entwertung der Logik und des gesunden Menschenverstandes, die für die heutigen Woke-Anhänger typisch sind. (Eine ergänzende Erklärung für diesen Hass auf die eigene, westliche Kultur und Zivilisation habe ich bereits in einem früheren Beitrag dargelegt.)

Die unzähligen heutigen Nachfolger von Foucault und Derrida, die deren Bücher wahrscheinlich gar nicht gelesen haben, entwerten oder verdrehen systematisch die Bedeutung aller für sie politisch relevanten Begriffe, um Sprachverwirrung zu erzeugen und um eine vernünftige Kommunikation zu verhindern. Die gängigen Begriffe, die früher im Wörterbuch eindeutig definiert waren, werden für den gesunden Dialog untauglich gemacht. Die Methoden dafür sind die Einführung immer neuer Begriffsvarianten, die etwas ganz anderes bedeuten, und die Erfindung sinnloser Gegenbegriffe.

Dafür sei nur ein Beispiel angeführt, nämlich das Wort, das im Titel dieses Beitrags steht: WOKE. Woke ist das Präteritum (Imperfekt) von „wake“ oder „wake up“ und bedeutet aufwachen, erwachen, wach werden oder wach sein. Dieses „Programm“ klingt aufklärerisch im Sinn der Kritischen Theorie und ihrer zwei Hauptempfehlungen „hinterfragen“ und “aufdecken“.

Aber in Wahrheit ist der Wokismus absolut dogmatisch und wissenschaftsfeindlich. Um das zu belegen, reicht es, an die „woke“ Behauptung zu erinnern, dass man die Begriffe „Mann“ und „Frau“ nicht definieren kann, weil sie bloß soziale Konstrukte seien. Insofern kann laut der Woke-Doktrin ein Mann eine Vagina und eine Frau einen Penis haben.

Auch werden Begriffe dadurch verfälscht, dass sie mit einem Zusatzwort gekoppelt werden, wodurch die Bedeutung des ursprünglichen Begriffs eventuell in sein genaues Gegenteil verwandelt wird. Zum Beispiel „social justice“.19 Solche Methoden der Sprachpervertierung durch Begriffskombinationen werden auch „framing“ — also Einrahmung oder Kontextualisierung — genannt.

Ein schönes Beispiel für framing bietet die Wortverbindung „cancel culture“, die nichts anderes bedeutet als „Zensur“. Hier wird die (unsympathische) Zensur durch die Verbindung mit dem Wort Kultur nobilitiert. Und auch das Wortpaar „political correctness“ suggeriert, dass ideologische Sprach- und Denkdiktatur eigentlich „korrekt“ — also im Grunde ganz OK — seien.

Inzwischen ist in den meisten westlichen Staaten das ganze öffentliche Leben durch solches orwellsche framing verseucht. Da bildet der Kulturbereich und implizit die Musikwelt keine Ausnahme.

Wokeness im Schulsystem

Aber natürlich geht es den neomarxistischen Woke-Aktivisten nicht nur darum, Sprachverwirrung zu stiften und die vernünftige Kommunikation zu sabotieren. Sie hassen die westliche Welt und führen auch einen intensiven Krieg nicht nur gegen das demokratische System und seine Funktionalität, sondern auch gegen die gesamte westliche Identität und Vergangenheit: Sie fälschen die Geschichte auf massive Weise (siehe zum Beispiel das profund verlogene „Projekt 1619“20 der New York Times) oder sie vergiften das Kulturerbe und das Wertesystem der westlichen Welt mit Lügen (siehe z.B. die postcolonial theory).

Sie zerstören dementsprechend Statuen auf öffentlichen Plätzen und wertvolle Gemälde in Museen und sie „dekolonisieren“ die Lehrpläne der Schulen und Universitäten (Shakespeare oder Mozart sollen in bestimmten Universitäten nicht mehr angeboten werden), wodurch sie das Schul- und universitäre System in eine gigantische anti-westliche Maschinerie der Woke-Indoktrinierung verwandeln. Beispiele dafür gibt es haufenweise. Das gilt auch für den Musikunterricht. Ich beschränke mich darauf, auf zwei sehr aktuelle (und ziemlich typische) Musikbücher über/für den Schulunterricht zu verweisen, in denen die sogenannte Inklusion Hauptthema ist:

1) Inklusives Musizieren — Praxis, Pädagogik, Ästhetik 21. Ich zitiere kommentarlos die Titel einiger Kapitel, die genauso vielsagend wie der Buchtitel sind: „Grundlegende Momente der Aus-Bildung für eine inklusionskompetente Pädagogik“ (Seite 141), „Breite Teilhabe und Exzellenz in inklusiven Musizierangeboten der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien“ (Seite 189), „Grundzüge einer inklusiven Musikdidaktik“ (Seite 203), „Elementares Musizieren als inklusives Musizieren“ (Seite 319), „Musikvermittlung und Community Music als Motoren von Inklusion im klassischen Konzertleben“ (Seite 349).

2) Inklusions-Material Musik, Klasse 5—10 22. Dies ist ein systematisches Buch, in dem die woke Pädagogik für die Sekundarstufe in allen Schulen der BRD verbreitet wird. Die Ansicht des Inhaltsverzeichnisses und der Einleitung ist online möglich, siehe Fußnote.

Ich werde das Thema Inklusion hier nicht behandeln, weise nur darauf hin, dass diese Praxis weder den Problemschülern, noch den sehr begabten hilft, weil keine dieser Schülerkategorien adäquat unterrichtet wird, wenn sie gleich behandelt werden.

Offiziell geförderter woker Politaktivismus im Musikbetrieb

Aber nicht nur neomarxistische Aktivisten oder Verlage etc. sind woke-infiziert. Auch staatliche (Kultur-)Institutionen sowie bestimmte Stiftungen, die als systemrelevant bezeichnet werden können, betreiben Woke-Propaganda. So zum Beispiel die international renommierte und äußerst einflußreiche Ernst von Siemens Stiftung, die sehr viele Projekte im Bereich der sogenannten Neuen Musik mit viel Geld fördert. Unter anderem erteilt diese Stiftung jährlich drei mit jeweils 35.000 Euro dotierte Förderpreise für Komposition.

Im Jahr 2023 wurde einer dieser Förderpreise an die Komponistin Sara Glojnarić vergeben. Für diese Gelegenheit produzierte die Stiftung ein YouTube-Video über Glojnarić. Im Text, der dem Video beigefügt23 ist, ist Folgendes über ihre künstlerischen Schwerpunkte zu lesen:

In ihrer Installation „popfem“ kombiniert Sara Glojnarić Medienmaterial aus dem rechtsextremen Flügel zu einer beeindruckenden Collage, die von einer frauenfeindlichen Gesellschaft und einem frauenfeindlichen System zeugt. Diese originelle Denkweise offenbart sie als […] geduldige Forscherin und ausdrückliche Aktivistin für die Rechte der Frauen und für die Menschheit als solche.

Und die geförderte Komponistin, für die das neomarxistische Narrativ der „frauenfeindlichen Gesellschaft“ und des „frauenfeindlichen Systems“ ein Hauptthema ihrer Kunstproduktion ist, bestätigt in dem Video selber, dass sie mit ihren Kompositionen hauptsächlich ideologische Inhalte transportieren will:

Seit ich mit wirklich politischen Themen arbeite, ist […] es mir immer bewusst [sic], dass ich wirklich eine Beobachterin bin. Aber es ist mir sehr früh klar geworden, dass nur mit Aktivismus und mit meinem Engagement wirklich was verändert werden kann — und auch mit der visibility und so weiter … Insofern … manchmal ist dieses … dieses visibility das einzige, was die Künstler*Innen auch machen können.24

Somit verbindet sich in der künstlerisch angeblich „originellen Denkweise“ Glojnarićs der inzwischen berühmte „Kampf gegen Rechts“ mit dem Bewusstsein, dass man ohne marxistischen Politaktivismus gar keine „visibility“ erzeugt und dass die Chance, die man hat, um Karriere zu machen, ohne „visibility“ eingeschränkt ist.

Ein anderes Beispiel des woken Politaktivismus bietet uns das bekannte Tiroler Festival für Neue Musik Klangspuren Schwaz in Österreich. Es wird unter anderem von dem österreichischen Bundesministerium für Kunst und Kultur, der Sparkasse Schwaz und eben auch von der gerade erwähnten Ernst von Siemens Musikstiftung mitfinanziert.25 Im Editorial der 26. Ausgabe des Festivals, das 2019 stattfand, ist folgende klar marxistische Programmatik der fünf Tage lang dauernden Veranstaltung zu lesen:

Unter dem Vorwand, die aus dem arabischen und afrikanischen Raum Geflüchteten seien die einzige Ursache sozialer Konflikte, lenkt die Politik medial erfolgreich von den eigentlichen Problemen der Gegenwart ab. In Wahrheit steht die kapitalistische Welt wegen der unablässigen Ausbeutung der Ressourcen vor dem Abgrund einer irreversiblen Klimakatastrophe und einer sozialen Kluft, die vor allem in der Dritten Welt kaum noch überbrückbar ist. Die über zwanzig Konzerte von Klangspuren Schwaz 2019 sollen den gegenwärtigen sozialen und politischen Erosionsprozess künstlerisch reflektieren.26

Auch hier ist das übergeordnete Thema der hinausposaunte Antikapitalismus. Das ganze Festival dreht sich laut dieser Aussage um die Motive „Geflüchtete“, „Ausbeutung“ (nun — typisch neomarxistisch — nicht mehr der „Proletarier“, sondern der „Ressourcen“) und “Klimakatastrophe“. Und natürlich liefern die beteiligten „Komponist*Innen“ das passende musikalische Material.

Nebenbei sei noch bemerkt, dass es wirklich lustig ist, dass die Sparkasse Schwaz — also eine Bank — diesen antikapitalistisch-ökologischen Diskurs mitfinanziert. Das ist der Gipfel der Wokeness, was mit Selbstzerstörung gleichzusetzen ist. Und insofern handelt die unbedeutende Sparkasse Schwaz nicht anders als die Giganten BlackRock oder Disney, die ungehemmt woke handeln — zum eigenen Nachteil.

Förderung der Gruppen-Denke und des Kollektivismus und die Abschaffung der musikalischen Kompetenz

Kollektivistische Ideen wurden in der Neuzeit das erste Mal 1516 von Thomas Morus in seinem Buch Utopia als Staatssystem dargestellt. Nach diesem Datum hatten kollektivistische Staatsentwürfe eine hohe Konjunktur und wurden in hoher Anzahl produziert.

Hier nur zwei Beispiele solcher Werke: Tommaso Campanellas Sonnenstaat und Étienne-Gabriel Morellys Code de la nature, ou le véritable esprit de ses loix. Sie haben eine wichtige Rolle in der Entstehung linker politischer Programme im 18. und 19. Jahrhundert gespielt. Die Bekämpfung der Individualität war und ist eines der Kernziele der Linken. Und sie ist ein fundamentaler Programmpunkt der Woke-Ideologie.27

Im Kunstbereich haben diese kollektivistischen Ideen viel später eine Rolle gespielt. Sie haben aber trotzdem auch da eine ziemlich lange Vorgeschichte. Wie ich in meinem Buch Linke Intellektuelle im Dienst des Totalitarismus28 sehr ausführlich dargelegt habe, war die Durchsetzung des Kollektivismus eines der Hauptziele der zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenen Avantgardebewegung. Dieses Ziel bestand auch weiterhin nach dem zweiten Weltkrieg in der Zeit der neomarxistischen, kulturkämpferischen Neoavantgarde:

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der neoavantgardistische Komponist John Cage einer der einflussreichsten Vertreter der kollektivistischen Kunst-Ideologie. Cage schrieb, dass die „Art von Musik“, die ihn „interessieren“ würde, diejenige sei, „die von allen und jedem/jedermann (everyone) gespielt wird“ und die „von vielen, vielen Leuten“29 erzeugt wird.

John Cage – gezeichnet von Tom Sora nach einem Foto von Cage

Somit meinte er offensichtlich nicht das symphonische Orchester. Musik sollte seiner Meinung nach zukünftig nicht mehr von einzelnen, musikalisch begabten und für den Beruf des Musikers ausgebildeten Individuen komponiert und aufgeführt werden, sondern von großen musikalisch ungeschulten Gruppen.

Inzwischen hat sich diese kollektivistische Kunst-Ideologie in der Musikwelt ausgebreitet und wird auch großzügig gefördert. Ein Beispiel dafür bietet das international berühmte Musikfestival „Donaueschinger Musiktage“, das jährlich vom Süd-Westfunk (SWR) veranstaltet wird. Im von Michael Rebhahn formulierten Editorial des Festivals, das im Jahre 2023 stattfand, ist unter dem Titel „Zusammenarbeit im Team statt einsam schaffende Komponisten“ folgende Programmatik der gesamten Veranstaltung zu lesen:

Erklärtes Ziel des traditionsreichen Festivals war „Collaboration“ – Zusammenarbeit. Festivalleiterin Lydia Rilling wollte damit die Idee einer vernetzten, lebendigen Kreativität in den Mittelpunkt stellen – und weniger das Klischee vom einsam schaffenden Komponisten bedienen. (…) „Collaboration“ — Zusammenarbeit. So lautete das Motto der Donaueschinger Musiktage 2023. Die Idee, die Festivalleiterin Lydia Rilling damit verbindet, ist eine Abkehr vom Gedanken des einsam schaffenden Komponisten hin zu einer vernetzten, lebendigen Kreativität.30

Somit wird von der Festivalleiterin unterstellt, dass die „lebendige Kreativität“ diejenige sei, die aus der „Vernetzung“ entstehen würde, und dass die Vorstellung des “einsam schaffenden Komponisten“ bloß ein lächerliches „Klischee“ sei. Wir entnehmen ihrer Aussage auch, dass sie seine „Kreativität“ eigentlich für reine Einbildung hält. Ihre Forderung einer „Abkehr“ von der individuellen künstlerischen Leistung und der Reorientierung zu einer Art Schwarmintelligenz bedeutet nichts anderes als die Entwertung des Individuums und die Glorifizierung des Kollektivs.

Der Gründer der „Donaueschinger Musiktage“, der Komponist Paul Hindemith, hätte sich wahrscheinlich nicht einmal im Traum denken können, dass das von ihm 1921 aus der Taufe gehobene Festival hundert Jahre später zu einer Plattform des Konformismus und des Kollektivismus entarten würde.

Auch die Abschaffung der traditionellen musikalischen Kompetenz ist ein Ziel der Woke-Agenda und wird ebenfalls offiziell unterstützt: Im Jahr 2020 erhielt Catherine Lamb einen der drei jährlichen Förderpreise für Komposition der Ernst von Siemens Musikstiftung. Wie auch für ihre uns bereits bekannte Kollegin Glojnarić wurde von der Stiftung für diese Gelegenheit ein Portrait-Video über sie produziert.

Aus diesem Video erfahren wir unter anderem, dass Catherine Lamb das grundlegende Material der europäischen Musik (Terzen, Quinten oder Oktaven) sowie die gesamte europäische Musiktheorie bereits souverän transzendiert hat: „Ich kümmere mich ganz einfach überhaupt nicht mehr um Intervalle. Ich denke nicht an eine kleine Sekunde oder eine große Terz. […] Man braucht Musiker, die bereit sind, die Musiktheorie zu verlernen und ihr harmonisches Denken neu zu strukturieren.“31

Also sollten laut der geförderten Komponistin die Musiker ihr Wissen bezüglich europäischer Musiktheorie „verlernen“ und das Material aus dem 99% der europäischen Musik besteht, ad acta legen. Aber auch diese Forderungen sind nicht neu. Sie wurden bereits vor 60-70 Jahren von Cage und anderen Neoavantgardisten seiner Zeit gestellt.

Cage fand zum Beispiel „die Idee, dass man ein kleines Kind vor ein Klavier setzt und ihm das Notenlesen beibringt“ absolut „lächerlich“. Diese Art von „Musikpädagogik“ hätte „nichts mit den Ohren und dem Genuss von Klang zu tun“. Die „Notation“ wäre laut Cage „für die Musik des zwanzigsten Jahrhunderts nicht mehr brauchbar“. „Unsere kleinen Kinder“ zu erziehen, fügte Cage hinzu, „als ob sie in einem früheren Jahrhundert lebten“, sei „eine Form von sozialem Wahnsinn“.32 Diese Ablehnung des „Notenlesens“ ist ein Plädoyer für die Abschaffung der Geschichte und der Kultur.

John Cage als Pädagoge - Zeichnung von Tom Sora
John Cage als Pädagoge – Zeichnung von Tom Sora

Ein anderes Mal beklagte sich Cage, dass „man heute ein Jahr braucht, um an einer Universität“ im Fach Harmonielehre „unterrichtet zu werden“. Er war sich sicher, „dass alles Nützliche über Harmonie in einer halben Stunde gelehrt werden kann.“33 Ich möchte klarstellen, dass man wirklich ein Jahr für das Grundstudium der Harmonielehre braucht. In einer „halben Stunde“ kann man gar nichts lernen.

Cage und viele andere linksextreme Künstler wollten eigentlich die gesamte musikalische Tradition eliminieren und den Unterricht der europäischen Musik abschaffen, so dass die folgenden Generationen nicht mehr ahnen sollten, was vor ihnen kulturell aufgebaut worden war. Dieses avantgardistische Ziel der Ausradierung der europäischen musikalischen Tradition wurde ab den 1990er Jahren zum Mainstream, nicht zuletzt dadurch, dass die post-avangardistische Negativität an den meisten Kunst- und Musikhochschulen der westlichen Länder gelehrt wurde.

Was tun?

Weil eine der wichtigsten Waffen der Linken seit Lenin und Gramsci bis zu den heutigen woken „Progressisten“ die Propaganda ist, müssen sie (auch) auf der Ebene des Diskurses, oder, wie es die alten Marxisten ausdrückten, des „Bewusstseins“ offensiv bekämpft werden. Ihre leider sehr reelle „Hegemonie“ über die Gehirne sehr vieler Menschen muss verschwinden. Der profund totalitäre Charakter der linken Ideologie muss vermehrt öffentlich aufgezeigt und definitiv entwertet werden.

Gleichzeitig ist es dringend notwendig, die bereits umgesetzten Programmpunkte dieser Ideologie rückgängig zu machen, um die weit fortgeschrittene Zerstörung der westlichen Welt und Kultur erstmals zu stoppen. Danach sollte die normale Welt restauriert werden, wobei darauf geachtet werden sollte, dass die gemachten Fehler der Unachtsamkeit und der selbstmörderischen Toleranz gegenüber jeglichen totalitären Tendenzen nicht wiederholt werden.


Nota

Diese Studie ist eine Ergänzung meines Buches Linke Intellektuelle im Dienst des Totalitarismus. Wie die Kunstavantgarde den Weg für die Woke-Bewegung bereitete ‒ das Beispiel John Cage. Sie wird in Druckform Anfang 2025 unter dem Titel „Wokeness — ideologischer Hintergrund und einige Beispiele im Musikbetrieb“ im Sammelband „Wokeness in der Kultur“ (Herausgeber: Alexander Ulfig) erscheinen.


  1. Karl Marx: Manifest der Kommunistischen Partei, 1848) ↩︎
  2. Das Individuum widerspiegelt für Marx und seine Nachfolger bloß die Merkmale der Klasse oder Kategorie, der es angehört. Und wenn es gleichzeitig mehreren Kategorien zuzuordnen ist (z.B. Frau+lesbisch+schwarz), dann ist das Individuum für die neomarxistischen Woke-Anhänger eben als eine Kombination der Merkmale dieser Kategorien zu definieren. Im woken Jargon nennt sich diese Mischung von sogenannten Identitäten „intersectionality“. ↩︎
  3. August Bebel: Die Frau und der Sozialismus, 1879, Kap. 31 ↩︎
  4. Dieses sozialistische Zwei-Klassen-Modell ist bereits vor Marx ausführlich thematisiert worden, zum Beispiel durch Henri de Saint Simon, der eine Zukunftsgesellschaft forderte, in der die Masse des Volkes autoritär von einer kompetenten (natürlich nicht vom Volk gewählten) Elite geleitet werden sollte. Marx übernahm das sozialistische Zwei-Klassen-Modell und verschärfte seinen autoritären Charakter wesentlich. ↩︎
  5. Karl Marx: Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei, Abschnitt IV, in: Kritik des Gothaer Programms, 1875 ↩︎
  6. W. I. Lenin, „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution“ (1905), in: W. I. Lenin, Ausgewählte Werke in sechs Bänden – Band II, Seite 63, Berlin, 1987 ↩︎
  7. Leo Trotzki: Die permanente Revolution, 1929, Online-Ausgabe: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1929/permrev/ (Letzter Zugriff auf die Website: 1.10.24) ↩︎
  8. Siehe das komplette Zitat in: J. W. Stalin: Zu den Fragen des Leninismus, Kapitel 5: Partei und Arbeiterklasse im System der Diktatur des Proletariats, Online verfügbar unter: https://www.marxists.org/deutsch/referenz/stalin/1926/fragen/kap05.htm (Letzter Zugriff auf die Website: 1.10.24) ↩︎
  9. Christian Riechers (Hrsg.): Antonio Gramsci – Philosophie der Praxis. Ein Auswahl, Frankfurt am Main, 1967, Seite 47. ↩︎
  10. W. I. Lenin: „Was tun?“, 1902, in: W. I. Lenin, Ausgewählte Werke in sechs Bänden – Band I, Berlin, 1987, Seite 375 ↩︎
  11. W. I. Lenin, ebd., Seite 419. ↩︎
  12. W. I. Lenin, ebd., Seite 419. ↩︎
  13. Guido Zamis, Sigrid Siemund (Hrgb.) Antonio Gramsci – Gedanken zur Kultur, Heft 10, §44, 1932-35, Köln, 1987, Seite 40 ↩︎
  14. Guido Zamis, Sigrid Siemund: ebd., Seite 41-42 ↩︎
  15. Guido Zamis, Sigrid Siemund: ebd., Seite 41-42 ↩︎
  16. Guido Zamis, Sigrid Siemund: ebd., Seite 260 ↩︎
  17. Diese bürgerliche westliche Kultur weist zwischen 1500 und 1950 unter anderen folgende Namen vor: Bach, Brahms, Bruckner, Brueghel, Bruno Giordano, Charlie Chaplin, Chopin, Churchill, Debussy, Descartes, Dickens, Dürer, Einstein, Galilei, Goethe, El Geco, Händel, Haydn, Victor Hugo, Kafka, Kant, Kepler, Kierkegaard, Kopernikus, Leibnitz, Leonardo da Vinci, Liszt, Mahler, Th. Mann, Mendelssohn, Michelangelo, Montaigne, Montesquieu, Mozart, Newton, Nietzsche, Pascal, Picasso, Proust, Ravel, Rubens, Schopenhauer, Shakespeare, Schubert, Schumann, Stravinski, Velasquez, Vermeer, Voltaire, Wagner und, und, und, und… ↩︎
  18. Die hegelianischen Marxisten würden sagen, dass die Idee des Klassenkampfes in der neuen Idee der Gruppen-Diskriminierung „aufgehoben“ wurde. ↩︎
  19. Echte „Gerechtigkeit“ (justice) muss „blind“ sein, also für alle Individuen oder Gruppen gleich. Versieht man sie mit dem Zusatzwort „social“, erschafft man einen neuen Begriff, der quasi das Gegenteil bedeutet. Denn die Wortkombination „social justice“ suggeriert, dass jetzt hauptsächlich „für die Diskriminierten“, also nur für eine bestimmte Gruppe, Gerechtigkeit geschaffen wird. Somit ist „social justice“ letztendlich das genaue Gegenteil von Gerechtigkeit. ↩︎
  20. Die Hauptthese des 1619-Projekts ist, dass Sklaverei und Rassismus die wahre Grundlage Amerikas sei. Somit sei das Gründungsjahr der USA nicht 1776, als die Unabhängigkeitserklärung ausgerufen wurde, sondern 1619, als afrikanische Sklaven erstmals in die damals noch britischen Kolonien ankamen. ↩︎
  21. Beate Henneberg, Peter Röbke (Hrsg.): Inklusives Musizieren — Praxis, Pädagogik, Ästhetik, Münster, 2022. Hier das Inhaltsverzeichnis online: https://www.waxmann.com/?eID=texte&pdf=4536.pdf&typ=inhalt (Letzter Zugriff auf die Website: 1.10.24) ↩︎
  22. Daniel Mark Eberhard, Ulrike Höfer: Inklusions-Material Musik, Klasse 5—10, Berlin, 2016. Ansicht des Inhaltsverzeichnisses und der Einleitung online: https://www.cornelsen.de/produkte/inklusions-material-musik-buch-klasse-5-10-9783589158119 (Letzter Zugriff auf die Website: 1.10.24) ↩︎
  23. Text zum YouTube-Video über Glojnarić: https://www.youtube.com/watch?v=470xSaDxB6c (Letzter Zugriff auf das Video: 1.10.24) ↩︎
  24. Transkript aus dem YouTube-Video über Glojnarić, Minute 4.02 – 4.22: https://www.youtube.com/watch?v=470xSaDxB6c (Letzter Zugriff auf das Video: 1.10.24) ↩︎
  25. siehe ganz unten auf der Website des Festivals: https://klangspuren.at/festival/ (Letzter Zugriff auf die Website: 1.10.24) ↩︎
  26. Website der 26. Ausgabe des Festivals: https://www.neue-musik.org/2019/06/11/klangspuren-schwaz-tiroler-festival-fuer-neue-musik/ (Letzter Zugriff auf die Website: 1.10.24) ↩︎
  27. Die linke totalitäre Ideologie ist zwar ein Auswuchs der westlichen Kultur, aber sie steht zu dieser in einem totalen Gegensatz, denn die westliche Kultur ist seit ihren Anfängen auf das eigenverantwortliche, autonome Individuum ausgerichtet. Aus der individuellen Verantwortung, die den Kern der westlichen Ethik bildet, erwächst die menschliche Würde. Der (freiwillig oder unfreiwillig) in die Masse eingebundene einzelne Mensch braucht keine Eigenverantwortung zu tragen. Wegen dieser entlastenden Befreiung von persönlicher Verantwortung ist der Kollektivismus für viele Menschen so attraktiv. ↩︎
  28. Tom Sora: Linke Intellektuelle im Dienst des Totalitarismus. Wie die Kunstavantgarde den Weg für die Woke-Bewegung bereitete — das Beispiel John Cage, Münster, 2024 ↩︎
  29. Richard Kostelanetz, Conversing with Cage, Limelight Editions, New York, 1988, Seite 111 ↩︎
  30. Website des Musikfestivals „Donaueschinger Musiktage“: https://www.swr.de/swrkultur/musik-klassik/donaueschinger-musiktage-2023-mehr-gegenwart-geht-nicht-100.html (Letzter Zugriff auf die Website: 1.10.24) ↩︎
  31. Transkript aus dem von der E.v.Siemens-Stiftung produzierten YouTube-Video über Catherine Lamb. Minute 1.09 – 1.41: https://www.youtube.com/watch?v=AeTdsio3wg4&t=113s (Letzter Zugriff auf die Website: 1.10.24) Übersetzung Tom Sora. Original: „I just don’t think about intervals at all. I don’t think about a minor second major third. […] You need musicians who are willing to try to unlearn music theory and try to restructure their harmonic thinking.“ ↩︎
  32. Richard Kostelanetz: Conversing with Cage, New York, 1988, Seite 240. ↩︎
  33. Richard Kostelanetz, ebd., Seite 252 ↩︎

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